The Complete Brothers Grimm Fairy Tales
This collection of "classics" certainly is a departure from the Disney versions. The tales are mostly very dark and pessimistic, as originally recorded by the Brothers. For the more "colourful" children's stories it is better to buy the specific tales from the bookstore instead of a collective book.
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Das tapfere Schneiderlein
der Brüder Grimm
An einem Sommermorgen saß ein Schneiderlein auf
seinem Tisch am Fenster, war guter Dinge und nähte aus
Leibeskräften. Da kam eine Bauersfrau die Straße
herab und rief: "Gut Mus feil! Gut Mus feil!"
Das klang dem Schneiderlein lieblich in die Ohren, er
steckte sein zartes Haupt zum Fenster hinaus und rief:
"Hierherauf, liebe Frau, hier wird Sie Ihre Ware los."
Die Frau stieg die drei Treppen mit ihrem schweren Korbe
zu dem Schneider herauf und mußte die Töpfe
sämtlich vor ihm auspacken. Er besah sie alle, hob sie in
die Höhe, hielt die Nase dran und sagte endlich: "Das Mus
scheint mir gut, wieg Sie mir doch vier Lot ab, liebe Frau,
wenn's auch ein Viertelpfund ist, kommt es mir nicht darauf
an."
Die Frau, welche gehofft hatte, einen guten Absatz zu
finden, gab ihm, was er verlangte, ging aber ganz
ärgerlich und brummig fort.
"Nun, das Mus soll mir Gott gesegnen", rief das
Schneiderlein, "und soll mir Kraft und Stärke geben",
holte das Brot aus dem Schrank, schnitt sich ein Stück
über den ganzen Laib und strich das Mus darüber.
"Das wird nicht bitter schmecken", sprach er, "aber erst will
ich den Wams fertigmachen, eh ich anbeiße."
Er legte das Brot neben sich, nähte weiter und machte
vor Freude immer größere Stiche. Indes stieg der
Geruch von dem süßen Mus hinauf an die Wand, wo die
Fliegen in großer Menge saßen, so daß sie
herangelockt wurden und sich scharenweis darauf
niederließen.
"Ei, wer hat euch eingeladen?" sprach das Schneiderlein
und jagte die ungebetenen Gäste fort. Die Fliegen aber,
die kein Deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen,
sondern kamen in immer größerer Gesellschaft
wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die
Laus über die Leber, es langte aus seiner Hölle nach
einem Tuchlappen, und "Wart, ich will es euch geben!" schlug
es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zählte, so lagen
nicht weniger als sieben vor ihm tot und streckten die Beine.
"Bist du so ein Kerl?" sprach er und mußte selbst
seine Tapferkeit bewundern. "Das soll die ganze Stadt
erfahren." Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein
einen Gürtel, nähte ihn und stickte mit großen
Buchstaben darauf
"Siebene auf einen Streich!"
"Ei was, Stadt!" sprach er weiter, "die ganze Welt soll's
erfahren!" Und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein
Lämmerschwänzchen. Der Schneider band sich den
Gürtel um den Leib und wollte in die Welt hinaus, weil er
meinte, die Werkstätte sei zu klein für seine
Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum, ob nichts da
wäre, was er mitnehmen könnte. Er fand aber nichts
als einen alten Käs, den steckte er ein. Vor dem Tore
bemerkte er einen Vogel, der sich im Gesträuch gefangen
hatte, der mußte zu dem Käse in die Tasche.
Nun nahm er den Weg tapfer zwischen die Beine, und weil er
leicht und behend war, fühlte er keine Müdigkeit.
Der Weg führte ihn auf einen Berg, und als er den
höchsten Gipfel erreicht hatte, so saß da ein
gewaltiger Riese und schaute sich ganz gemächlich um.
Das Schneiderlein ging beherzt auf ihn zu, redete ihn an
und sprach: "Guten Tag, Kamerad, gelt, du sitzest da und
besiehst dir die weitläufige Welt? Ich bin eben auf dem
Weg dahin und will mich versuchen. Hast du Lust, mitzugehen?"
Der Riese sah den Schneider verächtlich an und
sprach: "Du Lump! Du miserabler Kerl!"
"Das wäre!" antwortete das Schneiderlein,
knöpfte den Rock auf und zeigte dem Riesen den
Gürtel. "Da kannst du lesen, was ich für ein Mann
bin."
Der Riese las "Siebene auf einen Streich", meinte, das
wären Menschen gewesen, die der Schneider erschlagen
hätte, und kriegte ein wenig Respekt vor dem kleinen
Kerl. Doch wollte er ihn erst prüfen, nahm einen Stein in
die Hand und drückte ihn zusammen, daß das Wasser
heraustropfte.
"Das mach mir nach", sprach der Riese, "wenn du
Stärke hast."
"Ist's weiter nichts?" sagte das Schneiderlein. "Das ist
bei unsereinem Spielwerk", griff in die Tasche, holte den
weichen Käs und drückte ihn, daß der Saft
herauslief. "Gelt", sprach er, "das war ein wenig besser?"
Der Riese wußte nicht, was er sagen sollte, und
konnte es von dem Männlein nicht glauben. Da hob der
Riese einen Stein auf und warf ihn so hoch, daß man ihn
mit Augen kaum noch sehen konnte.
"Nun, du Erpelmännchen, das tu mir nach."
"Gut geworfen", sagte der Schneider, "aber der Stein hat
doch wieder zur Erde herabfallen müssen. Ich will dir
einen werfen, der soll gar nicht wiederkommen", griff in die
Tasche, nahm den Vogel und warf ihn in die Luft. Der Vogel,
froh über seine Freiheit, stieg auf, flog fort und kam
nicht wieder. "Wie gefällt dir das Stückchen,
Kamerad?" fragte der Schneider.
"Werfen kannst du wohl", sagte der Riese, "aber nun wollen
wir sehen, ob du imstande bist, etwas Ordentliches zu tragen."
Er führte das Schneiderlein zu einem mächtigen
Eichbaum, der da gefällt auf dem Boden lag, und sagte.
"Wenn du stark genug bist, so hilf mir den Baum aus dem Wald
heraustragen."
"Gerne", antwortete der kleine Mann, "nimm du nur den
Stamm auf deine Schulter, ich will die Äste mit dem
Gezweig aufheben und tragen, das ist doch das schwerste."
Der Riese nahm den Stamm auf die Schulter, der Schneider
aber setzte sich auf einen Ast, und der Riese, der sich nicht
umsehen konnte, mußte den ganzen Baum und das
Schneiderlein noch obendrein forttragen. Es war dahinten ganz
lustig und guter Dinge, pfiff das Liedchen "Es ritten drei
Schneider zum Tore hinaus", als wäre das Baumtragen ein
Kinderspiel. Der Riese, nachdem er ein Stück Wegs die
schwere Last fortgeschleppt hatte, konnte nicht weiter und
rief: "Hör, ich muß den Baum fallen lassen." Der
Schneider sprang behendiglich herab, faßte den Baum mit
beiden Armen, als wenn er ihn getragen hätte, und sprach
zum Riesen: "Du bist ein so großer Kerl und kannst den
Baum nicht einmal tragen."
Sie gingen zusammen weiter, und als sie an einem
Kirschbaum vorbeikamen, faßte der Riese die Krone des
Baumes, wo die zeitigsten Früchte hingen, bog sie herab,
gab sie dem Schneider in die Hand und hieß ihn essen.
Das Schneiderlein aber war viel zu schwach, um den Baum zu
halten, und als der Riese losließ, fuhr der Baum in die
Höhe, und der Schneider ward mit in die Luft
geschnellt.Als er wieder ohne Schaden herabgefallen war,
sprach der Riese: "Was ist das, hast du nicht die Kraft, die
schwache Gerte zu halten?"
"An der Kraft fehlt es nicht", antwortete das
Schneiderlein,"meinst du, das wäre etwas für einen,
der siebene mit einem Streich getroffen hat? Ich bin über
den Baum gesprungen, weil die Jäger da unten in das
Gebüsch schießen. Spring nach, wenn du's vermagst."
Der Riese machte den Versuch, konnte aber nicht über
den Baum kommen, sondern blieb in den Ästen hängen,
also daß das Schneiderlein auch hier die Oberhand
behielt.
Der Riese sprach: "Wenn du ein so tapferer Kerl bist, so
komm mit in unsere Höhle und übernachte bei uns."
Das Schneiderlein war bereit und folgte ihm. Als sie in
der Höhle anlangten, saßen da noch andere Riesen
beim Feuer, und jeder hatte ein gebratenes Schaf in der Hand
und aß davon. Das Schneiderlein sah sich um und dachte,
es ist doch hier viel weitläufiger als in meiner
Werkstatt.
Der Riese wies ihm ein Bett an und sagte, er solle sich
hineinlegen und ausschlafen. Dem Schneiderlein war aber das
Bett zu groß, es legte sich nicht hinein, sondern kroch
in eine Ecke. Als es Mitternacht war und der Riese meinte, das
Schneiderlein läge in tiefem Schlafe, so stand er auf,
nahm eine große Eisenstange, schlug das Bett mit einem
Schlag durch und meinte, er hätte dem Grashüpfer den
Garaus gemacht. Mit dem frühsten Morgen gingen die Riesen
in den Wald und hatten das Schneiderlein ganz vergessen, da
kam es auf einmal ganz lustig und verwegen dahergeschritten.
Die Riesen erschraken, fürchteten, es schlüge sie
alle tot, und liefen in einer Hast fort.
Das Schneiderlein zog weiter, immer seiner spitzen Nase
nach. Nachdem es lange gewandert war, kam es in den Hof eines
königlichen Palastes, und da es Müdigkeit empfand,
so legte es sich ins Gras und schlief ein. Während es da
lag, kamen die Leute, betrachteten es von allen Seiten und
lasen auf dem Gürtel "Siebene auf einen Streich."
"Ach", sprachen sie, "was will der große Kriegsheld
hier mitten im Frieden? Das muß ein mächtiger Herr
sein."
Sie gingen und meldeten es dem König und meinten,
wenn Krieg ausbrechen sollte, wäre das ein wichtiger und
nützlicher Mann, den man um keinen Preis fortlassen
dürfte. Dem König gefiel der Rat, und er schickte
einen von seinen Hofleuten an das Schneiderlein ab, der sollte
ihm, wenn es aufgewacht wäre, Kriegsdienste anbieten. Der
Abgesandte blieb bei dem Schläfer stehen, wartete, bis er
seine Glieder streckte und die Augen aufschlug, und brachte
dann seinen Antrag vor.
"Eben deshalb bin ich hierhergekommen", antwortete das
Schneiderlein, "ich bin bereit, in des Königs Dienste zu
treten." Also ward er ehrenvoll empfangen und ihm eine
besondere Wohnung angewiesen.
Die Kriegsleute aber waren dem Schneiderlein aufgesessen
und wünschten, es wäre tausend Meilen weit weg. "Was
soll daraus werden", sprachen sie untereinander, "wenn wir
Zank mit ihm kriegen und er haut zu, so fallen auf jeden
Streich siebene. Da kann unsereiner nicht bestehen." Also
faßten sie einen Entschluß, begaben sich allesamt
zum König und baten um ihren Abschied. "Wir sind nicht
gemacht", sprachen sie, "neben einem Mann auszuhalten, der
siebene auf einen Streich schlägt."
Der König war traurig, daß er um des einen
willen alle seine treuen Diener verlieren sollte,
wünschte, daß seine Augen ihn nie gesehen
hätten, und wäre ihn gerne wieder los gewesen. Aber
er getraute sich nicht, ihm den Abschied zu geben, weil er
fürchtete, er möchte ihn samt seinem Volke
totschlagen und sich auf den königlichen Thron setzen. Er
sann lange hin und her, endlich fand er einen Rat. Er schickte
zu dem Schneiderlein und ließ ihm sagen, weil er ein so
großer Kriegsheld wäre, so wollte er ihm ein
Anerbieten machen. In einem Walde seines Landes hausten zwei
Riesen, die mit Rauben, Morden, Sengen und Brennen
großen Schaden stifteten, niemand dürfte sich ihnen
nahen, ohne sich in Lebensgefahr zu setzen. Wenn er diese
beiden Riesen überwände und tötete, so wollte
er ihm seine einzige Tochter zur Gemahlin geben und das halbe
Königreich zur Ehesteuer; auch sollten hundert Reiter
mitziehen und ihm Beistand leisten.
Das wäre so etwas für einen Mann, wie du bist,
dachte das Schneiderlein, eine schöne Königstochter
und ein halbes Königreich wird einem nicht alle Tage
angeboten.
"O ja", gab er zur Antwort, "die Riesen will ich schon
bändigen und habe die hundert Reiter dabei nicht
nötig; wer siebene auf einen Streich trifft, braucht sich
vor zweien nicht zu fürchten."
Das Schneiderlein zog aus, und die hundert Reiter folgten
ihm. Als es zu dem Rand des Waldes kam, sprach es zu seinen
Begleitern: "Bleibt hier nur halten, ich will schon allein mit
den Riesen fertig werden."
Dann sprang er in den Wald hinein und schaute sich rechts
und links um. Über ein Weilchen erblickte er beide
Riesen: Sie lagen unter einem Baume und schliefen und
schnarchten dabei, daß sich die Äste auf und nieder
bogen. Das Schneiderlein, nicht faul, las beide Taschen voll
Steine und stieg damit auf den Baum. Als es in der Mitte war,
rutschte es auf einen Ast, bis es gerade über die
Schläfer zu sitzen kam, und ließ dem einen Riesen
einen Stein nach dem andern auf die Brust fallen.
Der Riese spürte lange nichts, doch endlich wachte er
auf, stieß seinen Gesellen an und sprach: "Was
schlägst du mich?"
"Du träumst", sagte der andere, "ich schlage dich
nicht."
Sie legten sich wieder zum Schlaf, da warf der Schneider
auf den zweiten einen Stein herab.
"Was soll das?" rief der andere. "Warum wirfst du mich?"
"Ich werfe dich nicht", antwortete der erste und brummte.
Sie zankten sich eine Weile herum, doch weil sie müde
waren, ließen sie's gut sein, und die Augen fielen ihnen
wieder zu. Das Schneiderlein fing sein Spiel von neuem an,
suchte den dicksten Stein aus und warf ihn dem ersten Riesen
mit aller Gewalt auf die Brust.
"Das ist zu arg!" schrie er, sprang wie ein Unsinniger auf
und stieß seinen Gesellen wider den Baum, daß
dieser zitterte. Der andere zahlte mit gleicher Münze,
und sie gerieten in solche Wut, daß sie Bäume
ausrissen, aufeinander losschlugen, so lange, bis sie endlich
beide zugleich tot auf die Erde fielen. Nun sprang das
Schneiderlein herab.
"Ein Glück nur", sprach es, "daß sie den Baum,
auf dem ich saß, nicht ausgerissen haben, sonst
hätte ich wie ein Eichhörnchen auf einen andern
springen müssen: Doch unsereiner ist flüchtig!" Es
zog sein Schwert und versetzte jedem ein paar tüchtige
Hiebe in die Brust, dann ging es hinaus zu den Reitern und
sprach: "Die Arbeit ist getan, ich habe beiden den Garaus
gemacht; aber hart ist es hergegangen, sie haben in der Not
Bäume ausgerissen und sich gewehrt, doch das hilft alles
nichts, wenn einer kommt wie ich, der siebene auf einen
Streich schlägt."
"Seid Ihr denn nicht verwundet?" fragten die Reiter.
"Das hat gute Wege", antwortete der Schneider, "kein Haar
haben sie mir gekrümmt."
Die Reiter wollten ihm keinen Glauben beimessen und ritten
in den Wald hinein: Da fanden sie die Riesen in ihrem Blute
schwimmen, und ringsherum lagen die ausgerissenen Bäume.
Das Schneiderlein verlangte von dem König die
versprochene Belohnung, den aber reute sein Versprechen, und
er sann aufs neue, wie er sich den Helden vom Halse schaffen
könnte.
"Ehe du meine Tochter und das halbe Reich erhältst",
sprach er zu ihm, "mußt du noch eine Heldentat
vollbringen. In dem Walde läuft ein Einhorn, das
großen Schaden anrichtet. Das mußt du erst
einfangen."
"Vor einem Einhorne fürchte ich mich noch weniger als
vor zwei Riesen; siebene auf einen Streich, das ist meine
Sache."
Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit, ging hinaus in
den Wald und hieß abermals die, welche ihm zugeordnet
waren, außen warten. Er brauchte nicht lange zu suchen,
das Einhorn kam bald daher und sprang geradezu auf den
Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände
aufspießen. "Sachte, sachte", sprach er, "so geschwind
geht das nicht", blieb stehen und wartete, bis das Tier ganz
nahe war, dann sprang er behendiglich hinter den Baum. Das
Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum und
spießte sein Horn so fest in den Stamm, daß es
nicht Kraft genug hatte, es wieder herauszuziehen, und so war
es gefangen. "Jetzt hab ich das Vöglein", sagte der
Schneider, kam hinter dem Baum hervor, legte dem Einhorn den
Strick erst um den Hals, dann hieb er mit der Axt das Horn aus
dem Baum, und als alles in Ordnung war, führte er das
Tier ab und brachte es dem König.
Der König wollte ihm den verheißenen Lohn noch
nicht gewähren und machte eine dritte Forderung. Der
Schneider sollte ihm vor der Hochzeit erst ein Wildschwein
fangen, das in dem Wald großen Schaden tat; die
Jäger sollten ihm Beistand leisten.
"Gerne", sprach der Schneider, "das ist ein Kinderspiel."
Die Jäger nahm er nicht mit in den Wald, und sie
waren's wohl zufrieden, denn das Wildschwein hatte sie schon
mehrmals so empfangen, daß sie keine Lust hatten, ihm
nachzustellen.
Als das Schwein den Schneider erblickte, lief es mit
schäumendem Munde und wetzenden Zähnen auf ihn zu
und wollte ihn zur Erde werfen. Der flüchtige Held aber
sprang in eine Kapelle, die in der Nähe war, und gleich
oben zum Fenster in einem Satze wieder hinaus. Das Schwein war
hinter ihm hergelaufen, er aber hüpfte außen herum
und schlug die Tür hinter ihm zu; da war das wütende
Tier gefangen, das viel zu schwer und unbehilflich war, um zu
dem Fenster hinauszuspringen. Das Schneiderlein rief die
Jäger herbei, die mußten den Gefangenen mit eigenen
Augen sehen. Der Held aber begab sich zum Könige, der
nun, er mochte wollen oder nicht, sein Versprechen halten
mußte und ihm seine Tochter und das halbe
Königreich übergab. Hätte er gewußt,
daß kein Kriegsheld, sondern ein Schneiderlein vor ihm
stand, es wäre ihm noch mehr zu Herzen gegangen. Die
Hochzeit ward also mit großer Pracht und kleiner Freude
gehalten und aus einem Schneider ein König gemacht.
Nach einiger Zeit hörte die junge Königin in der
Nacht, wie ihr Gemahl im Traume sprach: "Junge, mach mir den
Wams und flick mir die Hosen, oder ich will dir die Elle
über die Ohren schlagen."
Da merkte sie, in welcher Gasse der junge Herr geboren
war, klagte am anderen Morgen ihrem Vater ihr Leid und bat, er
möchte ihr von dem Manne helfen, der nichts anderes als
ein Schneider wäre.
Der König sprach ihr Trost zu und sagte: "Laß
in der nächsten Nacht deine Schlafkammer offen, meine
Diener sollen außen stehen und, wenn er eingeschlafen
ist, hineingehen, ihn binden und auf ein Schiff tragen, das
ihn in die weite Welt führt."
Die Frau war damit zufrieden, des Königs
Waffenträger aber, der alles mit angehört hatte, war
dem jungen Herrn gewogen und hinterbrachte ihm den ganzen
Anschlag.
"Dem Ding will ich einen Riegel vorschieben", sagte das
Schneiderlein. Abends legte es sich zu gewöhnlicher Zeit
mit seiner Frau zu Bett. Als sie glaubte, er sei
eingeschlafen, stand sie auf, öffnete die Tür und
legte sich wieder.
Das Schneiderlein, das sich nur stellte, als wenn es
schliefe, fing an mit heller Stimme zu rufen: "Junge, mach mir
den Wams und flick mir die Hosen, oder ich will dir die Elle
über die Ohren schlagen! Ich habe siebene mit einem
Streich getroffen, zwei Riesen getötet, ein Einhorn
fortgeführt und ein Wildschwein gefangen und sollte mich
vor denen fürchten, die draußen vor der Kammer
stehen!"
Als diese den Schneider also sprechen hörten,
überkam sie eine große Furcht, sie liefen, als wenn
das wilde Heer hinter ihnen wäre, und keiner wollte sich
mehr an ihn wagen. Also war und blieb das Schneiderlein sein
Lebtag ein König.
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